Robert Schmid im Interview
Klarer Auftrag an alle
Make it simple again! Einfacher kann man die Marschrichtung für die gesamte SIH nicht auf den Punkt bringen. Doch wie einfach ist es, in einer immer komplexer werdenden Arbeitswelt Abläufe wieder bewusst einfacher, schlanker und damit gleichzeitig effizienter zu machen? Und wird diese Message auch von allen ähnlich intepretiert? Wir haben Robert Schmid persönlich dazu befragt. Hier ein Auszug des Gesprächs:
„Make it simple again!“ So lautet Ihr Auftrag an Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Herr Schmid. Auf der anderen Seite wird die Arbeitswelt immer komplexer. Welche Gründe gibt es dafür?
In einer komplexer werdenden Arbeitswelt braucht es Spezialisten, die dazu neigen – wenn man nicht aufpasst –, alles noch komplizierter zu machen. Es werden Regelwerke erstellt und Normen definiert, die – wenn man diese im Detail hinterfragt – gar nicht alle erfüllt werden können, ohne dabei Wirtschaft und Wohlstand kaputt zu machen.
In einem Interview im Jänner 2024 sprechen Sie von „Kontrolloren, die andere Kontrollore kontrollieren“ – was läuft hier schief?
Abgesehen davon, dass ich diese Entwicklung als Zumutung empfinde, sehe ich darin das bloße Abschieben von Verantwortung. Wer will heute noch die Verantwortung für seine Handlungen und Entscheidungen selbst übernehmen? Da ist es viel einfacher, diese auf einen Sachverständigen abzuschieben oder auf einen Wirtschaftsprüfer oder die Datenschutzkontrolle. Wenn jeder einfach die ihm zugedachte Verantwortung übernimmt, ganz ohne „Abschiebeversuche“, dann wäre alles viel pragmatischer.
Könnten Sie das vielleicht an einem konkreten Beispiel festmachen?
Natürlich, da gibt es viele. Nehmen Sie einfach das neue Lieferkettengesetz. Allein die Tatsache, dass es dazu einen eigenen Leitfaden gibt, zeigt, wie man aus einem wichtigen Thema ein komplexes Konstrukt machen kann. Und damit dann auch alles seine Richtigkeit hat – hier sind wir wieder bei dieser so ungeliebten Verantwortung –, enthält dieser Leitfaden noch Experten-Tipps und Links zu vertiefenden Inhalten.
Was regelt das Lieferkettengesetz eigentlich konkret?
Es regelt die Sorgfaltspflichten von Unternehmen und verpflichtet diese zum Schutz von Menschenrechten und von Umweltstandards. Am Ende des Tages ist es hier wie in vielen Bereichen: „Die Gauner bleiben die Gauner“ und finden einen Weg, es zu umgehen. Die Ehrlichen hingegen verzweifeln daran.
Ein heißes Thema diesbezüglich ist ja auch die aktuelle KIM-Verordnung in Österreich. Die Kreditvergaberegeln sind so streng, dass der Traum vom Hausbauen für viele ein Traum bleibt, obwohl sie Startkapital dafür hätten. Wie stehen Sie dazu?
Wenn der Staat den Banken vorschreibt, wie sie Kredite vergeben dürfen, und mündige Bürger nicht entscheiden dürfen, wie viel Geld sie für ihre Raten aufbringen wollen, dann fällt mir wieder nur das eine, aber alles erklärende Phänomen ein: das Abschieben von Verantwortung. Die westlichen Staaten neigen dazu, Dinge zu regulieren, die nicht reguliert gehören. Zum Glück fällt die KIM-Verordnung heuer und wird nicht verlängert.
Sie hinterfragen die Sinnhaftigkeit von Regeln und empfehlen das auch Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wie sehr kann ich mich denn als Unternehmen über Bestimmungen hinwegsetzen?
Natürlich kann man sich nicht über Bestimmungen hinwegsetzen. Aber man sollte jede einzelne daraufhin prüfen, ob man hier eine „Muss-“ oder eine „Kann“-Bestimmung vor sich hat. Die Österreicher und Deutschen neigen dazu, auch Richtlinien als Verpflichtung zu sehen.
Automatisierung, Digitalisierung, Schnittstellenmanagement – den Unternehmen stehen heute verschiedene Mittel zur Verfügung, um Dinge für sich und ihre Kunden einfacher zu machen. Werden Mittel wie diese in der SIH genutzt, bzw. wie gut werden sie von den Mitarbeitern angenommen?
Beginnen wir doch gleich beim Thema Digitalisierung. Wir brauchen sie, und es geht heute nicht mehr ohne sie, weil man uns so viel abverlangt – noch eine Statistik, noch eine Grafik. Doch auch hier ist kritisches Denken gefragt. Worum geht es wirklich? Was bringt uns weiter? So kann man auf Aufgaben und Tools reduzieren, die wirklich Sinn und uns auch in Zukunft erfolgreich machen.
Ist die Digitalisierung nicht auch ein Generationenthema?
Natürlich ist sie auch ein Generationenthema. Es gilt, die Erfahrung der alten Hasen, die noch ohne Digitalisierung erfolgreich geworden sind, mit den Ideen der Jungen zu kombinieren. So schafft man die Voraussetzung, um Digitalisierung nicht einfach, um der Digitalisierung Willen zu machen, sondern dort voranzutreiben, wo sie Sinn macht.
„Dinge zu reduzieren ist viel schwieriger, als Regeln in die Welt zu setzen.“
Sie sind ein Verfechter davon, Dinge einfacher zu machen. Wie einfach ist das wirklich?
Nehmen wir mal ein Beispiel aus dem Alltag. Dinge häufen sich über die Jahre an. Sie aufzuheben ist einfacher, als sie auszumisten. Genauso ist es im beruflichen Leben. Man muss sich von Themen, Statistiken und Tätigkeiten auch bewusst trennen können, damit man wirtschaftlicher und konzentrierter arbeiten kann.
Menschen verharren gern in bewährten Mustern. Prozesse zu vereinfachen bedeutet Veränderung. Was fangen denn Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit „Make it simple again!“ an?
Da bleiben wir gleich beim Anfangen. Denn wir stehen hier noch ganz am Anfang, wie es auch bei anderen Themen war, die sich mittlerweile gut in unserer Unternehmenskultur etabliert haben.
Welche Themen sprechen Sie hier genau an?
Ein gutes Beispiel ist hier die Kreislaufwirtschaft, also zu erkennen, dass Abfallstoffe gleichzeitig auch Wertstoffe sein können. Am Anfang wurden wir da von manchen groß angesehen. In vielen Unternehmen dauert es Monate, manchmal auch Jahre, bis die Sinnhaftigkeit einer Neuerung oder inhaltlichen Ausrichtung von allen begriffen wird. Wenn sie dann alle nach geraumer Zeit verstanden haben, wird sie gelebt. Wie bei uns jetzt die Kreislaufwirtschaft und Ressourcen-schonung. Wir wissen, dass die Rohstoffe der Erde begrenzt sind und verantwortungsvoll genutzt werden müssen, damit auch zukünftige Generationen gut leben können. Wer achtsam mit Ressourcen umgeht, spart nicht nur Geld, sondern reduziert auch Emissionen. Das bringt Vorteile für alle – und ist eine echte Investition in die Zukunft. Ich würde sogar behaupten, dass wir mittlerweile echt gut darin sind. Natürlich gelingt diese Akzeptanz nicht von heute auf morgen.
Wie oft stoßen Sie das Thema, Dinge einfach zu machen, im Unternehmen an?
Immer wieder. Neulich erst auf der Weihnachtsfeier. Da ernten wir aus der Führungsebene natürlich auch verwunderte Blicke, wenn wir sagen: „Pfeift auf die Normen!“ Das ist selbst-verständlich eine plakative Vereinfachung unseres Aufrufs. In Wirklichkeit geht es darum, sein eigenes Handeln zu hinterfragen. Genauso wie Regeln, denen man aus Betriebsblindheit und Gewohnheit heraus folgt. Mein Ansatz lautet: Bitte überlegt, ob eine Tätigkeit sinnstiftend ist. Wenn sie uns nichts bringt, schaut, ob man darauf verzichten kann.
Damit wären wir wieder beim Ausmisten – haben Sie hier einen hilfreichen Tipp?
Dinge reduzieren ist viel schwieriger als sie in die Welt zu setzen. Hier kann man nur das regelmäßige Hinterfragen üben. Mit der Zeit bewährt sich diese Theorie. Mit dem Ausmisten gelingt es, Abläufe wieder einfacher zu machen. Wie gesagt, wir sind noch am Anfang. Da muss erst ein Bild bei unseren Mitarbeitern entstehen und auch die Bereitschaft, nicht nur andere, sondern vor allem auch sich selbst und seine gelernten Handlungen zu hinterfragen.
Wer darf in der SIH Dinge einfacher machen? Wer darf Veränderungspotenzial aufzeigen? Jede und jeder Einzelne?
Ja, das ist mein Aufruf. Und zwar an jede und jeden Einzelnen. Nur der, der eine Sache macht, kann am besten beurteilen, wie man diese vereinfachen kann. Meine klare Ansage ist: Wenn ihr etwas als sinnlos empfindet, besprecht es mit dem Vorgesetzten. Wenn euer Vorgesetzter im ersten Schritt nichts davon hören will, dann gebt bitte nicht gleich auf, sondern bleibt dran. Sinnlose Dinge machen wir nicht.
Verantwortung übernehmen statt Dinge betriebsblind ausführen, lautet also die Ansage. Welche Frage sollten sich Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter also regelmäßig stellen?
Eine ganz einfache Frage, dafür immer wieder: Wozu brauchen wir das?
Eine letzte Frage: „Make it simple again!“ also kurz MISA. Ein frommer Wunsch oder gelebte Wirklichkeit in der SIH?
Mein Ziel ist es vor allem, ein Bewusstsein zu schaffen und alle SIH-Mitarbeiter dazu zu ermutigen, regelmäßig kritisch zu hinterfragen. Lassen Sie sich nicht von vermeintlicher Komplexität täuschen – nicht alles, was kompliziert erscheint, ist automatisch sinnvoll oder intelligent. Mut zur Einfachheit ist das Gebot der Stunde! Also „Make it simple again!“, zusammen!
